Biometrie - Und der L´uomo Delinquente
Ein Zwischenruf zum Sinn und Unsinn von Biometrie

Auf Einladung des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung IGD hatte ich Anfang Januar die Möglichkeit, zum Thema „Biometrie – Auf dem Durchmarsch zur Überall-Zugangs- und Identifizierungs-Technologie?“ gemeinsam mit Tobias Gantner von Health Care Futurists zu referieren. Die Möglichkeiten der Biometrie sind immens und reichen von polizeilichen Zwecken über die Bewerberdiagnostik bis in die Patientenversorgung. Biometrie ist aber nur die eine Seite – die andere ist: Nach welchen Mustern bzw. Auffälligkeiten werden denn biometrische Daten selektiert und bewertet. Welcher Algorithmus liegt dem zugrunde? Wer definiert ihn und ist das überhaupt sinnvoll?
Die Auswertung biometrischer Daten hat in der Kriminologie ein lange Tradition. 1876 war die Forschung des Italieners Cesare Lombroso bahnbrechend. Dieser versuchte anhand von Fotos von Tätern, physiognomische Merkmale von Mördern, Betrügern und Vergewaltigern zu bestimmen.
Das Foto links zeigt Mörderinnen und Mörder. In seinem Buch „L´uomo Delinquente“ für das Lombroso in durchaus wissenschaftlicher Manier tausende solcher Fotos ausgewertet hatte, stellte er dazu fest: „Die Mörder haben einen glasigen, eisigen, starren Blick, ihr Auge ist bisweilen blutunterlaufen. Die Nase ist groß, oft eine Adler- oder vielmehr Habichtsnase; die Kiefer starkknochig, die Ohren lang, die Wangen breit, die Haare gekräuselt, voll und dunkel, der Bart oft spärlich; die Lippen dünn, die Eckzähne groß …“
Lombrosos Lehren aus dem Jahr 1876 sind über 150 Jahre später überholt. Wir sind heutzutage eher darüber amüsiert. Aber die Analogie liegt auf der Hand: Biometrie ist gut – aber Vorsicht beim Algorithmus! Sonst kann es leicht sein, dass man Bewerber aufgrund von Fotos oder Sprachmelodie zu unrecht als potenziell depressiv oder gar manisch denunziert und glaubt, man sei mit modernster Wissenschaft auf dem Weg. Lombroso dachte das damals übrigens auch.